Lohnpolitik
im engeren Sinn: alle Maßnahmen und Bestrebungen der an der Lohnbildung beteiligten Parteien zur Beeinflussung der Geldlohnhöhe; im weiteren Sinn: auch alle wirtschaftspolitischen Maßnahmen zur Beeinflussung der Güterpreise, die eine Änderung des - Reallohnes zur Folge haben. Im engeren (hier verwendeten) Sinn lassen sich nach den Trägern lohnpolitischer Maßnahmen unterscheiden: a) betriebliche Lohnpolitik: Die Geldlohnsätze werden in der BRD in erster Linie von den - Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden durch tarifvertragliche Vereinbarungen festgelegt. Somit kommt der betrieblichen Lohnpolitik nur eine ergänzende Funktion zu. Sie kann durch übertarifliche Lohnzuschläge (nur diese sind möglich: Mindestlohncharakter des Tariflohnes) und stärkere Differenzierung der Einzellöhne die zur Anpassung an besondere konjunkturelle, strukturelle und innerbetriebliche Situationen notwendige Flexibilität des Unternehmens erhalten. b) Lohnpolitik der Tarifverbände: In der BRD sind die Hauptträger die - Tarifpartner, denen Art. 9, Abs. 3 GG die Regelungszuständigkeit für die Tariflöhne und sonstigen Arbeitsbedingungen zuspricht (Tarifautonomie). Die Gewerkschaften, die im Interesse ihrer Mitglieder die bestmöglichen Lohnbedingungen auszuhandeln versuchen, und die Arbeitgeberverbände, die aufgrund des Kostencharakters des Lohnes bestrebt sind, die Lohnerhöhungen in einem möglichst niedrigen Rahmen zu halten, bestimmen in den Tarifverhandlungen den im Tarifvertrag festgelegten Tariflohn. Die Höhe des Tariflohnes ist abhängig von der Verhandlungsmacht der beiden Parteien (Gewerkschaften, Lohn), die äußerstenfalls zur Durchsetzung ihrer Interessen bestimmte Mittel des Arbeitskampfes einsetzen können (Streik, - Aussperrung). c) staatliche Lohnpolitik: Die Einflußnahme des Staates auf die Lohnbildung ist in der BRD im wesentlichen auf die Bereitstellung von Orientierungsdaten im Rahmen der Konzertierten Aktion beschränkt. Es handelt sich um quantitativ vorgegebene Lohnerhöhungsspielräume, deren Ausnutzung durch die Tarifparteien mit der Realisierung bestimmter wirtschaftspolitischer Ziele vereinbar ist. In der BRD stehen v.a. folgende lohnpolitische Konzepte im Mittelpunkt der Diskussion: a) expansive Lohnpolitik: hauptsächlich von Vertretern der Gewerkschaften unterstütztes Lohnkonzept, dessen Ziel eine Erhöhung des Anteils der Arbeitnehmer am - Sozialprodukt ist. Durch eine Erhöhung der Lohnquote (die Löhne steigen stärker als die Produktivität) werde zudem eine expansive Wirkung auf die gesamte Volkswirtschaft ausgelöst: Steigende Löhne haben eine Zunahme der Arbeitsleistung zur Folge und die Unternehmen werden via Lohnkostendruck zu Rationalisierungsmaßnahmen veranlaßt (Produktivitätsargument). Neben diesen induzierten Produktivitätssteigerungen geht ein weiterer expansiver Effekt von der steigenden Nachfrage der Arbeitnehmerhaushalte aus (Kaufkraftargument). Dieses Argument gilt für den Fall der Unterbeschäftigung. Der Erfolg einer expansiven Lohnpolitik ist u.a. abhängig von der Wettbewerbssituation auf den Gütermärkten und von der konjunkturellen Lage. Gelingt den Unternehmen eine Überwälzung der gestiegenen Lohnkosten auf die Güterpreise, so werden die nominalen Lohnerhöhungen durch die Preissteigerungen zunichte gemacht, d.h. der - Reallohn bleibt unverändert. b) Lohnspielraum als Residuum: Dieses Konzept setzt die absolute Priorität des Wachstumszieles voraus: Vom erwarteten Sozialprodukt werden die »notwendigen« Anteile des Staates und des Auslands sowie der Investitionen abgesetzt und über den sich als Restgröße ergebenden Konsum die zulässigen Lohnerhöhungen ermittelt. c) produktivitätsorientierte Lohnpolitik: Hauptargument dieses Konzeptes ist die Wahrung der Preisniveaustabilität. Wenn die Geldlohnsätze genau im Maße der durchschnittlichen Zunahme der Arbeitsproduktivität erhöht werden, bleibt der Durchschnittsstand der Preise konstant (nicht aber das Preisgefüge). Diesem Ergebnis liegt die Vorstellung zugrunde, dass die gleichbleibenden Arbeitskosten je Produkteinheit auch gleichbleibende Stückpreise bedingen (Kostenseite) und zudem der Gleichschritt von Nachfragewachstum und Angebotsentwicklung allgemeine Preissteigerungen verhindert (Nachfrageseite). Die Einwände zu diesem Konzept konzentrieren sich insbes. auf drei Aspekte:
1. Die Ausrichtung der Lohnerhöhungen an der Produktivitätsentwicklung bedeutet eine Zementierung der Verteilungssituation (konstante Lohnquote).
2. Sollen die Löhne an der erwarteten Produktivitätssteigerung ausgerichtet werden, ergeben sich methodische Schwierigkeiten bei der Vorausschätzung, zumal die Produktivität als endogene Größe von der Lohnentwicklung beeinfluBt wird.
3. Produktivitätsorientierung ist eine notwendige, aber keine ausreichende Bedingung für ein stabiles Preisniveau: Neben Lohnkosten spielen andere Kostenbestandteile (z.B. Kapitalkosten) bei der Preisgestaltung eine Rolle; die Anbieter haben u.U. die Macht, die Preise unabhängig von der Kostenentwicklung festzusetzen; die Entwicklung der Nachfrage ist von verschiedenen Nachfragekomponenten abhängig (z.B. Auslands-, Staats-, Investitionsnachfrage). kostenniveauneutrale Lohnpolitik: Das Konzept des - Sachverständigenrats geht davon aus, dass die Sicherung der Preisniveaustabilität nur bei konstantem volkswirtschaftlichen Kostenniveau möglich ist. Neben dem Lohn bestimmen auch andere Faktoren das volkswirtschaftliche Kostenniveau. Der Lohnerhöhungsspielraum ist demnach bei gegebener Produktivitätsentwicklung abhängig von den Veränderungsraten der anderen Bestimmungsfaktoren. So muss bei Konstanz der - terms of trade die prozentuale Veränderung der Lohnsätze bei konstanten (sinkenden, steigenden) Kapitalkosten pro Produkteinheit gleich (größer, kleiner) sein der prozentualen Veränderung der Arbeitsproduktivität, wenn Kostenniveauneutralität gewährleistet sein soll. Der auf diese Weise ermittelte Richtwert für die Lohnerhöhungen ist noch um den Lohnkosteneffekt veränderter Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung und um den Lohnsummeneffekt von Veränderungen in der Beschäftigungsstruktur zu korrigieren. Neben den schon bei der produktivitätsorientierten Lohnpolitik geäußerten Einwänden erscheint v.a. die der Lohnpolitik gegenüber Änderungen der anderen Kostengrößen zugedachte »Lückenbüßerrolle« mit ihren verteilungspolitischen Konsequenzen von besonderer Problematik.
e) Berücksichtigung einer Preissteigerungsrate bei den zwei letztgenannten Lohnkonzepten: Dieses Konzept stellt das Verteilungsziel wieder in den Vordergrund. Ausgehend von realitätsnäheren Annahmen über die Möglichkeiten der Wirtschaftspolitik, Preisstabilität zu sichern, soll den jährlichen Preissteigerungen Rechnung getragen werden, indem sie bei der Berechnung des Lohnerhöhungsspielraumes zusätzlich zur Produktivitätsentwicklung berücksichtigt werden (-i Lohn-Preis-Indexierung). Über den Rahmen der hier dargestellten lohnpolitischen Konzepte hinaus gehen die Forderungen, lohnpolitische Empfehlungen und Maßnahmen nur innerhalb einer umfassenden Einkommenspolitik vorzunehmen, da zum einen nicht verständlich ist, dass nur für die soziale Gruppe der Arbeitnehmer bestimmte einkommenspolitische Verhaltensregeln verbindlich sein sollen, zum anderen eine Einbeziehung aller Einkommensarten in die Einkommenspolitik die Möglichkeit gibt, gleichzeitig neben dem Ziel der Preisniveaustabilität auch das Verteilungsziel in den Mittelpunkt staatlicher Wirtschaftspolitik zu stellen. Literatur: Molitor, B. (1988). Dasgupta, A.K. (1976)
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