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Wirtschaftslexikon
Ausgabe 2017
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Finanzierungstheorie

beschäftigt sich mit der Herleitung von Gestaltungsempfehlungen für die Bestimmung einer optimalen Finanzierungsweise. Dies schließt die Frage nach dem optimalen Anteil des Fremdkapitals, nach der Fristigkeitsstruktur des Fremdkapitals sowie nach der Ausschüttungspolitik als speziellere Fragestellungen mit ein. Charakteristisch für die Finanzierungstheorie ist, dass finanzwirtschaftliche Entscheidungen stets im Zusammenhang mit dem Geschehen auf dem Kapitalmarkt gesehen werden. Die Zuführung neuen Kapitals in ein Unternehmen kann als Verkauf von Finanzierungstiteln auf einem Markt aufgefaßt werden. Der Markt, auf dem Finanzierungstitel gehandelt werden, die jeweils bestimmte Anwartschaften auf künftige, zum Teil unsichere Zahlungen verbriefen, ist der Kapitalmarkt. Der sich dort bildende Preis für Finanzierungstitel kann als Marktwert eines Finanzierungstitels aufgefaßt werden. Die Vorgehensweise, die Zuführung neuen Kapitals als Verkauf von Finanzierungstiteln zu interpretieren, ist unmittelbar einleuchtend, wenn eine börsennotierte Aktiengesellschaft im Wege der externen Eigenfinanzierung neue Anteile emittiert. Aber auch die Eigen- oder Kreditfinanzierung von Unternehmen, die keinen Zugang zum organisierten Kapitalmarkt haben, kann in dem Sinne als Verkauf von Finanzierungstiteln aufgefaßt werden, dass auch in diesem Fall ein oder mehrere Kapitalgeber dem Unternehmen Kapital zur Verfügung stellen und damit im Gegenzug eine Anwartschaft auf künftige Zahlungen erwerben. Obwohl diese Finanzierungstitel nicht auf organisierten Märkten handelbar sind, ist die Preisbildung von Finanzierungstiteln, die sich auf dem Kapitalmarkt vollzieht, dennoch auch für Unternehmen ohne Zugang zum Kapitalmarkt relevant. Denn jeder Kapitalgeber hat die Möglichkeit, seine Finanzmittel nicht im Unternehmen, sondern auf dem Kapitalmarkt rentierlich anzulegen. Daher wird die Aufnahme neuen Kapitals nur gelingen, wenn die Zahlungsanwartschaft der neuen Finanzierungstitel so bemessen ist, dass auf das neu zugeführte Kapital eine Verzinsung erzielt wird, die derjenigen einer risikoäquivalenten Anlage auf dem Kapitalmarkt mindestens entspricht. Von der gewählten Finanzierungsweise hängt es ab, welche Höhe und welchen Risikogehalt die Zahlungsanwartschaft eines Finanzierungstitels hat. Da die Finanzierungspolitik grundsätzlich an den Interessen der Kapitalgeber auszurichten ist, ist demnach diejenige Finanzierungsweise optimal, die zu einer solchen Verteilung der Zahlungsanwartschaften führt, die den Nutzen der Kapitalgeber maximiert. Die Maximierung des Nutzens der Kapitalgeber ist jedoch keine geeignete Zielgröße für die Bestimmung einer optimalen Finanzierungspolitik, denn zum einen sind die Präferenzen der Kapitalgeber der Unternehmensleitung i.allg. nicht bekannt, und zum anderen stellt die Aggregation unterschiedlicher Präferenzvorstellungen eine Unternehmensleitung vor unlösbare Probleme. Als Alternative zur Nutzenmaximierung bietet sich die Maximierung des Marktwertes aller von einem Unternehmen ausgegebenen Finanzierungstitel an. Ist der Kapitalmarkt hinreichend vollkommen (keine Transaktionskosten, atomistische Marktstruktur, beliebige Handelbarkeit von Finanzierungstiteln), so führt die Marktwertmaximierung zugleich zur Nutzenmaximierung aller Kapitalgeber. Führt nämlich eine Finanzierungspolitik zu einer Zahlungsanwartschaft, die den Präferenzen eines Kapitalgebers widerspricht, so kann dieser durch den Verkauf seiner Anteile und anschließender Umstrukturierung seines Portefeuilles stets eine Zahlungsanwartschaft konstruieren, die seinen Präferenzen entspricht. Das Nutzenniveau seiner umstrukturierten Zahlungsanwartschaft ist dabei um so höher, je größer der Wert und damit der Erlös aus dem Verkauf seiner ursprünglichen Finanzierungstitel war.
Finanzierungstheorie Die Orientierung der Finanzierungspolitik an der Zielsetzung der Marktwertmaximierung setzt voraus, dass man weiß, wie auf dem Kapitalmarkt die Preise für Finanzierungstitel zustande kommen. Für zahlreiche finanzwirtschaftliche Fragestellungen ist es nicht notwendig, eine explizite Bewertungsfunktion für Finanzierungstitel abzuleiten, vielmehr reicht es aus, wenn die Marktbewertung die Eigenschaft der Wertadditivität erfüllt. Sie besagt, dass die Summe der Marktwerte eines zerlegten Zahlungsstroms dem Marktwert des unzerlegten Zahlungsstroms entspricht. Sei a; ein beliebiger Zahlungsstrom und V(ä;) dessen Marktwert, so besagt die Eigenschaft der Wertadditivität: Die Eigenschaft der Wertadditivität folgt unmittelbar aus der Konzeption eines Kapitalmarktgleichgewichts bei Arbitragefreiheit. Gelte V(ä1) > (<) V(ä2) + V(ä3), so könnte ein risikoloser Arbitragegewinn erzielt werden, indem der Zahlungsstrom ä1 leer verkauft (gekauft) wird und gleichzeitig die Zahlungsströme a2 und ä3 gekauft (leer verkauft) werden. Da ein Kapitalmarktgleichgewicht nicht mit der Existenz gewinnbringender Arbitragemöglichkeiten vereinbar ist, muss auf einem vollkommenen Kapitalmarkt jede Marktbewertung von Zahlungsströmen die Eigenschaft der Wertadditivität aufweisen. Da jede Finanzierungsweise eine bestimmte Aufteilung des Zahlungsüberschusses, der im Leistungsbereich des Unternehmens erwirtschaftet wird, auf die Kapitalgeber bewirkt, hat die Eigenschaft der Wertadditivität unmittelbare Relevanz für die Bestimmung einer optimalen Finanzierungspolitik. Es sei:
Finanzierungstheorie Für jede Realisation der Zufallsvariablen ß(I) gilt, dass der gesamte im Leistungsbereich erwirtschaftete Zahlungsüberschuss abzüglich der Steuerzahlungen und der Mindereinzahlungen aufgrund von Interessenkonflikten zwischen unterschiedlichen Gruppen von Kapitalgebern an die Gesamtheit der Kapitalgeber fließt:
Finanzierungstheorie Daher entspricht auch der Marktwert von [ä(I) — k (I, Y)] dem Marktwert aller ausgegebenen Finanzierungstitel:
Finanzierungstheorie Aufgrund der Eigenschaft der Wertadditivität folgt nun:
Finanzierungstheorie Ist der Kapitalmarkt vollkommen in dem Sinne, dass keine finanzierungsabhängigen Steuern existieren und alle Interessenkonflikte kostenlos gelöst werden, so können die finanzierungsbedingten Wertminderungen V[ k (I, Y)] vernachlässigt werden. Es gilt dann in Verallgemeinerung des Theorems von Franco MODIGLIANI und Merton H. MILLER die generelle Irrelevanz der Finanzierung. Entscheidend für den Marktwert aller ausgegebenen Finanzierungstitel ist allein der Zahlungsüberschuß, der aus der Leistungstätigkeit des Unternehmens resultiert, nicht aber die Form der Aufteilung dieses Überschusses auf die Kapitalgeber. Dieses Irrelevanzergebnis geht verloren, wenn Marktunvollkommenheiten berücksichtigt werden. Während der Einfluss von finanzierungsabhängigen Steuern auf die Bestimmung einer optimalen Finanzierungspolitik relativ leicht berücksichtigt werden kann, ist die Frage, welche Finanzierungspolitik die finanzierungsbedingten Wertminderungen aufgrund von Interessenkonflikten minimiert, noch weitgehend ungelöst. Literatur: Swoboda, P. (1994). Franke, G., Hax, H. (1994)





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